der Staatsmann, Humanist und Utopist inmitten seiner Familie
Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg unsere Gemeinde etablierte, entschied sie sich für diesen Heiligen als Vorbild und Schutzpatron. Das neue Semester nehme ich nun zum Anlass, den Blick mal wieder auf diesen vielseitigen Menschen zu lenken.
Was ich spannend finde: Thomas Morus hat zwar im 16. Jahrhundert gelebt, seine Heiligsprechung erfolgte jedoch erst 1935. Er wurde als Leitfigur und Vorbild benannt, als in Europa zunehmend Faschisten und andere Diktatoren nach der Macht griffen. Vielen galt und gilt der Jurist, Staatsmann, Humanist und Schriftsteller bis heute als Symbol für Gewissensfreiheit und moralische Standhaftigkeit. Gewiss hat das auch die Entscheidung der Studierenden in der Anfangszeit der KSG beeinflusst.
Als Lordkanzler des englischen Königs Heinrich VIII. unterstützte Thomas Morus viele seiner Reformen. So die Zentralisierung der politischen Macht und die Förderung der humanistischen Bildung sowie der Wissenschaft. Bis heute wird sein Buch „Utopia“ gelesen. In dieser Sozialutopie beschreibt Morus eine ideale Gesellschaft; er kritisiert die soziale Ungerechtigkeit, den Machtmissbrauch vieler Herrscher und die Verteilung des Eigentums.
Als Heinrich VIII. den Bruch mit der katholischen Kirche vollzog und sich zum Oberhaupt der Kirche von England erklärte, weigerte sich Morus, diesen Schritt zu unterstützen. Er wollte seinem Gewissen und seinem Glauben treu bleiben und erkannte den König nicht als Oberhaupt der Kirche an. Deshalb wurde er wegen Hochverrats angeklagt und 1535 hingerichtet.
Morus blieb bis zuletzt standhaft. Auf dem Schafott – im Angesicht des Henkerbeils – soll er diese Worte gesagt haben: „Ich nehme euch zu Zeugen, dass ich im Glauben und für den Glauben der heiligen katholischen Kirche und als treuer Diener des Königs, aber in erster Linie als treuer Diener Gottes sterbe.“
Das Zeugnis von Thomas Morus zeigt, dass der Mensch nicht von Gott und die Politik nicht von der Moral getrennt werden sollte. Angesichts heutiger Herausforderungen scheint mir das ebenso wichtig, wie zu Lebzeiten Morus´.
Thomas Morus träumte schon im 16. Jahrhundert von einer besseren Welt. Sein staatstheoretisches Werk „Utopia“ ist der Entwurf einer egalitären Gesellschaft ohne Geld und Privateigentum.
Die reine Idylle gibt es auf der Insel „Utopia“ allerdings nicht.
Humanist und Heiliger, Hochverräter und Märtyrer, Sozialist und Utopist - das Leben von Thomas Morus, das vor 545 Jahren begann, trägt viele Etiketten.
Welche stimmen?